Die Scherben und das Volk in der Zitty

Unerwartetes finde ich heute in der Zitty, in einem Interview mit Wolfgang Seidel, dem ersten Schlagzeuger von Ton Steine Scherben. Ich zitiere:

Seidel: In einem frühen Interview sagten die Scherben, dass sie Volkslieder machen wollen, weil Volkslieder ein revolutionäres Moment sein können. Das mit den Volksliedern scheint geklappt zu haben. Wo aber ist das revolutionäre Moment geblieben? Ein weiterer Anlass [zum Nachdenklich werden] war, als ich zum Berliner Wahlkampf einen Bericht über eine NPD-Veranstaltung sah, wo sie Scherben-Songs spielten. Die übernehmen die Lieder eins zu eins, und das ist keine Ausnahme.

Zitty: Da stellt sich schon die Frage, wie sowas geht.

Seidel: Es geht um die kämpferische Protesthaltung. Es gibt eine breit angelegte, gut durchdachte und in Teilen erfolgreiche Strategie auf der Rechten, linke Symbolik und einen Teil linker Argumentation oberflächlich zu übernehmen. Aus Palästinensertuch und Che-Guevara-Shirt wird völkischer Antikapitalismus. Dass manche Textstelle der Scherben und die manchmal simple Einteilung der Welt in Gut und Böse, Wir und Die, diese Vereinahmung möglich macht, ist ein anderes Problem.

Was verstörend ist, wiegt mich nicht in Sicherheit, dass alles so bleiben wird, wie es ist. Politische Musik muss immer ein Stolperstein sein, sowohl auf musikalischer als auch auf sprachlicher Ebene

Wer hier wie oberflächlich von wem was übernommen hat, bzw. wer sich von wem überhaupt wie unterscheidet, darum müsste an dieser Stelle nocheinmal gestritten werden. Ein Echo von Gestern Abend ist es allemal.

Und direkt gegenüber schreibt Falko Müller über 2005 als “Ein Jahr Namens Deutschland”:

Manche Neo-Patrioten argumentieren gerne damit, dass man den Rechten nicht die nationale Symbolik überlassen dürfe, sondern sie selbst anders, vermeintlich positiver besetzen müsse. Auch hier: Wozu? Patriotische Begriffe lassen sich nicht positiv besetzen. Symbolik, die einem Vaterland zugeordnet ist, überlässt man doch lieber denen, die ein Vaterland brauchen. Glücklich kann sich nennen, wer nicht dazugehört, und wer auch nicht darüber nachzudenken braucht. Diese Menschen dürften auch 2006 unter zunehmender Vereinzelung leiden.

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