Bis zum Sieg gegen den Krieg

Auf der ‘Demonstration für den Frieden im Nahen Osten‘, die heute vom Roten Rathaus zum Potsdamer Platz zog waren auf jeden Fall viel zu viele Menschen – 14 000, wie es am Ende verkündet wurde, aber sicher nicht. Hier für sie, meine lieben Leser, die beliebtesten Sprechchöre und Plakate, sowie einige kleinere Vorkommnisse…

Noch gleich am Anfang vor dem Roten Rathaus gab es Zwist, als die Polizei jemanden herausfischte, der sich am Eingang geweigert hatte, seine Hizbullah-Fahne abzugeben. Die meisten Demonstranten schienen nicht nachvollziehen zu können, was an dieser Fahne denn so verwerflich sei, und forderten beherzt:”Eins, zwei, drei, gebt die Leute frei!”, wovon sich die Polizei glücklicherweise nicht beirren ließ, auch wenn es später den Demo-Organisatoren schwer zu vermitteln war, warum die/der Fahnenträger nicht einfach wieder freigelassen würden, es sei doch “nur eine Hizbullah-Fahne”.

Es herrschte ein gründliches Sprechchorregiment, was dazu führte, dass an mindestens drei Stellen der Demo jemand konstant der Meute einheizte, alle schienen vom gleichen Zettel abzulesen, und die Meute wusste auch sofort die passenden Antworten:

“Bush”
– “Terrorist!”
“Olmert”
– “Terrorist!”
“Blair”
– “Terrorist!”
“Palästina!”
– “Bis zum Sieg!”
“Libanon!”
– “Bis zum Sieg!”
“Hizbullah!”
– “Bis zum Sieg!”

sowie:

“Nieder mit Israel!”
“Israel Kindermörder!”

Und immer wieder auch die Aufforderung an Nasrallah “uns” zum Sieg zu führen. Wie sich all das allerdings mit den Auflagen verträgt ist mir nicht klar. Die Berliner Morgenpost:

So sind etwa Kennzeichen, Fahnen oder Embleme der radikal-islamistischen Hisbollah-Organisation verboten. Ebenso ist es strafbar, das Existenzrecht des Staates Israel in Frage zu stellen oder Portraits von Hassan Nasrallah, dem Führer der Hisbollah, öffentlich zu zeigen.

Edit: Angekommen am Potsdamer Platz verkündete eine Rednerin, “dass hier keine Rechtsradikalen und keine Nationalisten” seien, und ich wunderte mich, ob das nur ein Versprecher oder halluzinierendes Wunschdenken war. Schließlich konnte sie direkt vor der Bühne ein Meer von Nationalfahnen bewundern, die sicher nicht aus ‘Antinatinalismus’ heraus getragen wurden…

Vor der Rednertribüne mit Herm Gehrke drauf gab es einen Zwischenfall mit einem Mann mit Megafon, der irgendwas über “die Juden” erzählte, was das aber genau war konnte ich nicht verstehen und bis jetzt auch nicht herausfinden.

Zum Abschluss konnte ich noch ein Gespräch zwischen einem Antisemiten, der bemerkte, Israel sei ja der jüdische Staat, und warum würden denn nicht die Deutschen, die den Juden doch das meiste Leid zugefügt hätten, anstelle der USA Israels bester Verbündeter sein (Antwort: Israel hängt finanziell und überhaupt von den USA ab, und die USA wiederum vom jüdischen Finanzkapital), und einem Antiimperialisten mitverfolgen, der meinte, Israel sei ja in erster Linie ein imperialistischer Staat, und eher so nebenbei noch die Zuflucht der Juden. Die Diskussion lässt sich folgerndermaßen zusammenfassen: Israel ist ein Werkzeug des jüdischen Finanzkapitals versus Israel ist ein Werkzeug des jüdischen Finanzkapitals. Wobei der Antiimp es noch schaffte, dem Antisemit zu sagen, dass das schon an Hitler angelehnt sei, wenn einem das ‘jüdisch’ so wichtig wäre und man zwischen Israel, der jüdischen Religion und der jüdischen Rasse (um die es gerade ja gar nicht gehe) keinen Unterschied machen würde.

Eine tapfere Israelfahne hing aus einem Fenster der HU:

Noch ein paar Fotos mehr gibt es bei flickr, geschrieben haben auch classless und planet hop

6 Responses to “Bis zum Sieg gegen den Krieg”

  1. brennessel Says:

    frage: was ist genau macht einen faschisten aus?
    nicht nur, dass durch den inflationären gebrauch dieses wortes -von fast jeder politischen fraktion- seine bedeutung und wirkung geschmälert wird, auch könnte mensch solches als latente schleichende geschichtsrevision betrachten, denn was ist schon geschichte?!

  2. Copyriot Says:

    Hier in Schweden sind die Hizbollah-Fahnen und Nasrallah-Bilder überall zu sehen in den gegenwärtigen antiisraelische Demonstrationen. Auch manche ehemaliger “softcore-antiimps” tragen jetzt Hizbollah-t-shirts. Im Vergleich, auf schwedischer Sicht, scheint die Symbolsprache dieser Demonstration eher Maßvoll…

  3. starblog » Blog Archive » Kriegsdemo in Berlin Says:

    […] Die Terrorunterstuetzer sind heute durch Berlin marschiert, mit dabei diese Scherzkekse: Was wohl die nahoestlichen Protagonisten der Intifada zu dieser Parole meinen? Sehr viele Fotos und einen Bericht gibts bei scrupeda. Dieses Foto stammt auch von dort. […]

  4. scrupeda Says:

    @brennessel: Wie kommst du da gerade jetzt drauf? Ich habe in dem ganzen Text das Wort kein einziges Mal verwendet.

    @copyriot: Hier in Berlin sind Hisbollah-Fahnen und Nasrallah Bilder explizit verboten worden, und vor nicht allzulanger Zeit hieß es noch “Bis zum Endsieg!” statt “Bis zum Sieg!”, was aber meines Wissens nach eben auch verboten ist. D.h., die Parolen und Bilder sind teilweise eher Hinweise darauf, was sie eigentlich gerne sagen würden, aber nicht dürfen. Auch bei den Redebeiträgen kam dieser Eindruck auf, so z.B. wenn eigentlich die ganze Zeit von 40 Jahren Besatzung durch Israel gesprochen wurde, und jemandem dann plötzlich ein “60 Jahre Besatzung” herausrutschte.

  5. brennessel Says:

    sorry, war’n versehen (wohl aufgrund schlafmangels und inkompetenz).
    die frage war an classless gerichtet, denn deinen bericht kann ich schon empfehlen, und nachdem ich videomaterial von der demo gesehen habe, hast du eher verharmlost…

  6. scrupeda » Nachlese zum 12.08.2006 Says:

    […] Während der Kundgebung gegen ein Vertriebenenzentrum und der ‘Friedensdemo’ letzten Samstag wollten einige Menschen ihre Botschaften auch per Flugblatt loswerden. Hier nun ein kleiner Ausschnitt des gesammelten Papierkrams: […]