Deutsche Leitkultur mag keine Blogs

November 7th, 2006

Anne Haeming: Und warum hat Technik in den beiden Ländern eine so unterschiedliche Bedeutung?

Klaus Schönberger: […] In Deutschland ist das humanistische Bildungskapital auch immer anti-technisch gewesen, in Frankreich nicht. Die technisch ausgerichteten Eliten in Frankreich hatten nicht so viele Probleme, als gleichberechtigter – oder sagen wir: anerkannter – Akteur in der Gesamtgesellschaft akzeptiert zu werden. In Deutschland hingegen blieb das klassisch humanistische Bildungskapital im Sinne einer „Leitkultur“ lange Zeit hegemonial.

Ein längeres Interview mit Klaus Schönberger über die Frage, warum es in Deutschland nur ca. ein zehntel soviele Blogs gibt wie in Frankreich.

‘Diebstahl geistigen Eigentums’

November 4th, 2006

Heise berichtet, dass eine spanische Richterin eine Klage auf Diebstahl geistigen Eigentums abgewiesen hat, weil der Angeklagte das urheberrechtlich geschützt Material zum rein privaten Gebrauch und ohne ‘Absicht der persönlichen Bereicherung’ getauscht habe, und damit der Tatbestand des Diebstahls nicht erfüllt sei:

Der spanische Phonoverband Promusicae hatte dem Mann vorgeworfen, in mehreren Fällen Musikdateien per E-Mail und in Chat-Räumen angeboten und selbst herunter geladen zu haben. Als Strafmaß hatte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von zwei Jahren sowie eine Geldbuße in Höhe von 7.200 Euro gefordert.

Selbtsmordattentäter ohne Attentat & die deutsche Liebe zum Staat

November 2nd, 2006

Michael Taussig sinniert in Walter Benjamin’s Grave darüber, ob Benjamin denn der erste ‘suicide bomber’ gewesen sei. Er verschwendet keinen Gedanken daran, dass diese eben deswegen ‘suicide bomber’ genannt werden, weil sie danach streben, nicht nur sich, sondern möglichst viele andere Menschen umzubringen, ja weil sie sich durch die Verwendung von Sprengstoff eben wirklich zu menschlichen Bomben machen. Aber wenn Selbstmord reichte, um ein (palästinensischer) Selbstmordattentäter zu sein, dann wäre Benjamin nicht der erste. Also macht Taussig einen neuen Vergleich auf: Die Gemeinsamkeit Benjamins mit den Palästinensern liege darin, dass sie zum Verlieren bestimmt gewesen seien.

Like Benjamin they are fated to lose.

So schnell kann einem die Lust an einem Buch vergehen, dass mit Abschnitten wie diesen fast wilson’sches Vergnügen erhoffen lies:

We strip the unknown of all that is strange. We show it who’s boss, the basic rule of a university seminar. We tolerate neither ambiguity nor that which won’t conform. The second and even greater misfortune is that we thereby forget how strange is the known.

Nicht minder erstaunte mich heute eine Glosse im aktuellen Ex Berliner, in der Konrad Werner versucht, Amerikanern und Briten das Verhältnis der Deutschen zum Staat zu erklären:

The thing is, you don’t have the idealism about the state that we have. We might be just as suspicious of our politicians as you, but we treasure and idealise the state keeping control of our lives. There is enormous security in the German system that has taken us a couple of centuries to develop. This security brings peace.

Als Beschreibung dieses Aspekts der deutschen Ideologie ist das ja gar nicht falsch, aber der Mensch scheint das nicht nur zu glauben sondern auch noch gut zu finden. Brrr.

Meryl Streep und die Verwertungslogik

October 28th, 2006

Der Teufel trägt Prada

Eine Story die diesen Namen nicht verdient, eine Hauptdarstellerin, die eher versucht eine Puppe darzustellen als einen Menschen, plumpeste Klischees, durch keinen Hauch von Ironie gebrochen, aber eine unterhaltsame Modeshow, und immer dann, wenn es um die Machtspielchen geht, durchaus nicht schlecht. So ist denn Meryl Streep als die Verkörperung der karrieristischen Menschenverachtung Miranda das einzige, was diesen Film vor der Unerträglichkeit bewahrt.

Wenn man von der Story abstrahiert, bleibt im wesentlichen eine Karikatur gegenwärtiger Arbeitsverhältnisse übrig- die schreckliche Miranda ist kaum mehr als die personifizierte Verwertungslogik. Alles was sie mehr ist, ist Verharmlosung. Verwertungslogik zum Anfassen sozusagen.

The Man and The Machine

October 26th, 2006

ROCK

279868606_1a5203f55e.jpg

23C3 Vorfreudeartikel

October 25th, 2006

Bei Antenne gibz erste 23C3-Banner, –Desktophintergründe und -Screensaver. Yeah.

23C3
23C3 – Who can you trust?

Niedliche Straßenschlachten in Budapest

October 23rd, 2006

Da sich die Lage in Ungarn noch nicht wirklich entspannt hat, bzw. SPON mal wieder darüber berichtet, möchte ich hier nochmal auf einen bereits etwas älteren Hagalil-Artikel aufmerksam machen: Budapest: Völkische Revolution?
Die beste Analyse der Ereignisse, die mir bisher untergekommen ist, ja ich bin versucht zu sagen, die einzige, beurteilt auch die hiesige Berichterstattung:

Doch die beinahe kritiklose Übernahme der nationalkonservativ-oppositionellen Darstellung durch westliche Berichterstatter, in Gyurcsánys Rede sei es schlicht darum gegangen, dass er die Öffentlichkeit über den Zustand der Wirtschaft belogen hätte, um seine Wiederwahl zu sichern, und dass die Unruhen eine Folge dieses Eingeständnisses seien, geht im Grunde an der Wirklichkeit Ungarns vorbei.

Das ‘andere’ Amerika

October 23rd, 2006

An Inconvenient Truth

Ich wäre wesentlich eher von einem Film zu überzeugen, der nicht den Zweifel grundsätzlich denunziert; der nicht aus einer Korrelation ohne weitere Begründung einen Kausalzusammenhang macht; der nicht beliebig Illustrationen verwendet um durch deren emotionales Aufrüttelungspotential die eigene Informationsarmut zu verschleiern.

Und, Al Gore, es interessiert mich einen Scheissdreck, wann dein Kind einen Unfall hatte, woran deine Schwester gestorben ist, und wer dir alles nicht richtig zugehört/dich nicht verstanden/dich nicht gewählt hat. Auch bist du nicht Winston Churchill, der auf die Notwendigkeit des Kampfes gegen Nazi-Deutschland hinweist. Nein, echt nicht. Und mit Wissenschaft hat all das erst recht nichts zu tun. Auch wenn all diese tollen Wissenschaftler voll gute Freunde von dir sind.

Was für ein schlechter, schlechter Film.

Sind wir nicht alle ein bisschen Opfer des Zionismus?

October 21st, 2006

Der Al Quds Tag 2006 in Berlin

Ich kam erst spät zur Gegendemo, weil mir jegliche Lust den Rednern der deutschen Volksparteien zuzuhören abhanden ging, und deren Anwesenheit schon letztes Jahr gezeigt hatte, dass es relativ unnötig ist, dass auch noch ein paar Linksradikale mit gegendemonstrieren. Leider hatte ich noch nicht alles verpasst; eine mir unbekannte kreuzberger Band meinte, nicht nur spielen zu müssen, sondern auch noch eine kleine Ansprache halten zu wollen. Die ging ungefähr so:

Also um den Fanatismus zu bekämpfen – jeden Fanatismus – sind Nationalfahnen auf jeden Fall falsch, weil sie die Völker einteilen in wertvolle und weniger wertvolle, in gute und schlechte, es ist aber meistens komplizierter!

Ich habe mich umgedreht und bin gegangen, aber auf dem Weg zurück zum Zoo kam mir die eigentliche Demo entgegen. Die Transparente waren wie üblich einheitlich vorgefertigt und weichgespült, Bilder bzw. Poster gab es im Gegensatz zum letzten Jahr praktisch keine, kein Ayatollah Chomeini, kein Felsendom. Ich schätze, das werden wohl Polizeiauflagen gewesen sein. Die Slogans von heute:

Gemeinsam gegen Antisemitismus und Zionismus

Israels Kriegsverbrecher nach DEN HAAG – Israelische Führung vor dem Kriegstribunal

Keine deutschen Waffen mehr nach Israel! – Keine Kriegsbeteiligung Deutschlands im Nahen Osten

Israel ist eine Bedrohung für den Weltfrieden – und ein Hindernis für die Völkerverständigung

Meinungsfreiheit für Zionismusforscher und Gegner Israels

Ihr Politiker! Lasst euch durch die Zionisten nicht mundtot machen

Demokratieexport auf amerikanisch – Learning by Bombing

US-Demokratie ist eine Bombendemokratie

Aus dem Lautsprecherwagen wurde verkündet, dass das deutsche Volk ja auch ein Opfer der Zionisten sei, weil es ja auch nicht frei seine Meinungs sagen dürfe, aber die Deutschen hätten ja gelernt, zwischen Antisemitismus und Judenhass zu unterscheiden. Das war natürlich ein Versprecher, aber es schien niemand zu merken… Weiter das Übliche über den faschistischen Zionismus, wie er die Juden als Herrenrasse des Nahen Ostens darstelle und die Palästinenser seit 60 Jahren Genozid und Unterdrückung ertragen müssten.

Als die Demo die Gegenkundgebung passierte, blieb es erstaunlich ruhig – vor allem letztere war deutlich stiller als 2005, die Musik war laut, aber es wurde nicht gesungen, kaum gepfiffen und gerufen etc. Dafür hatte jemand dieses reizende Spielzeug mitgebracht:

Gastrender der Al Quds Abschlusskundgebung war Moishe Arye Friedmann, ein Vertreter der Neturei Karta:

Und das sahen die Männer vom iranischen Fernsehen natürlich auch gern:

Die gleichen vielsagenden Hinterköpfe etwas besser im Blick:

Es gab technische Probleme und Herr Friedmann sprach sehr leise, ich war der Meinung genug gesehen zu haben und ging endlich nach Hause.

Zu den Formalien: es waren wohl wieder um die 300 Leute auf der Demo, sauber nach Geschlechtern getrennt, und wenn es hoch kommt 200 auf der Gegenkundgebung.

Buchstabenexhibitionismus

October 20th, 2006

Ich habe gerade die ‘Artikel’-Sektion etwas ausgebaut, so dass jetzt auch meine beiden Texte über die Geschichte der Musikmedien und des geistigen Eigentums an Musik aus der letzten Testcard runterladbar sind; den Tanzgeschichte-Artikel gibz jetzt auch als PDF, die aktuellen Links zu den Aufnahmen von meinem Vortrag über Buckminster Fullers Geometrie auf dem Chaos Communication Congress vom letzten Jahr sind ergänzt und eine frische Hausarbeit über das Tonband und die Compact Cassette und deren Konsequenzen auf Musikwirtschaft und -konsum kam auch dazu.

Enjoy!