Max Planck und nicht die Wissenschaft

Max Planck, dessen Namen die ehemalige Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft trägt, seit die Alliierten Kaiser Wilhelm nicht mehr für die richtige Bezugsfigur im besiegten Deutschland hielten, hat schon 1914 einen “Aufruf an die Kulturwelt” unterzeichnet, in dem 93 Intellektuelle jegliche Mitschuld Deutschlands am ersten Weltkrieg leugnen, das deutsche Heer mit dem “deutschen Volk” gleichsetzen und Deutschland mit einer zutiefst rassistischen Argumentation verteidigen. In diesem Aufruf heißt es z.B.:

“1. Es ist nicht wahr, daß Deutschland diesen Krieg verschuldet hat. Weder das deutsche Volk hat ihn gewollt, noch die Regierung, noch der Kaiser. Von deutscher Seite ist das Äußerste geschehen, ihn abzuwenden. (…) Erst als eine schon lange an den Grenzen lauernde Übermacht von drei Seiten über unser Volk herfiel, hat es sich erhoben wie ein Mann.”

“Sich als Verteidiger europäischer Zivilisation zu gebärden haben die am wenigsten das Recht, die sich mit Russen und Serben verbündeten und der Welt das schmachvolle Schauspiel bieten, Mongolen und Neger auf die weiße Rasse zu hetzen.”

“6. Es ist nicht wahr, daß der Kampf gegen unseren so genannten Militarismus kein Kampf gegen unsere Kultur ist, wie unsere Feinde heuchlerisch vorgeben. Ohne den deutschen Militarismus wäre die deutsche Kultur vom Erdboden getilgt. Zu ihrem Schutz ist er aus ihr hervorgegangen in einem Lande das Jahrhunderte lang von Raubzügen heimgesucht wurde wie kein zweites. Deutsches Heer und deutsches Volk sind eins.”

Zwar hat Planck den Aufruf möglicherweise unterzeichnet, ohne seinen genauen Wortlaut gekannt zu haben, aber er hat sich auch nur genau von diesem, bzw. der Formulierung, distanziert, die „zu unzutreffenden Vorstelllungen von der Gesinnung seiner Unterzeichner Anlaß” gäbe. Das geschah durch eine Erklärung, die er 1916 in den Niederlanden veröffentlichen ließ, und in der es eben wieder heißt:

„… denn das deutsche Heer ist nichts anderes als das deutsche Volk in Waffen, und wie alle Berufsstände, so sind auch die deutschen Gelehrten und Künstler unzertrennlich mit ihm verbunden.“

Auch die Ansprachen, die er später (vor 1933), meist aus Anlass der Leibniztages, in der Akademie der Wissenschaften hielt, enthalten so manche überaschende Wendung; natürlich ist immer wieder der eine oder andere Aspekt von Leibniz’ Schaffen in diesen Reden Thema und meist versucht Planck Leibniz mit dem aktuellen Tagesgeschehen in Verbindung zu setzen. Wiederkehrendes Motiv ist Leibniz’ ‚Weltbürgertum’ – nicht ohne dass sofort darauf sein glühender Patriotismus gewürdigt würde, ganz so als müsse man das Weltbürgertum entschuldigen und versichern, dass damit alles seine deutsche Richtigkeit habe.

Aus der Ansprache vom 1. Juli 1926 (Leibniztag):

“Aber so groß und tiefgreifend sich seine Erfolge auf allen Gebieten der Wissenschaft erwiesen haben, seinen umfassenden Organisationsplänen blieben sie zumeist versagt, und sie mußten es bleiben, nicht durch seine Schuld, sondern durch den inneren Zwang der Dinge. Denn die Geschichte der internationalen Wissenschaft hat immer aufs neue gezeigt, daß die Wissenschaft, ebenso wie die Kunst und wie die Religion, zunächst nur auf nationalem Boden recht gedeihen kann.”

Seine durch und durch konservative Einstellung, inklusive aller völkischen Bezüge, die in Deutschland damit einhergehengingen, schlägt sich in diesen Reden ebenfalls nieder (aus der Ansprache vom 3. Juli 1919 (Leibniztag)): :

“Der furchtbarste Krieg, den die Welt gesehen hat, ist beendigt, aber was tiefer brennt als alle seine Schrecknisse und Leiden, das ist die Schmach des uns von den Feinden aufgezwungenen Friedensschlusses. Wehrlos liegt Deutschland darnieder, blutend aus tausend Wunden und, was schlimmer ist, durchzuckt von inneren Fieberschauern, deren Hartnäckigkeit die Aussicht auf eine dereinstige Gesundung beinahe auszuschließen scheint.”…”Es scheint gegenwärtige in manchen Kreisen unseres Volkes leider ganz in Vergessenheit geraten zu sein, daß man seine Arbeit auch um ihrer selbst Willen lieben kann, daß die Arbeit unter normalen Umständen einen Quell der Befriedigung, des Trostes, des körperlichen und geistigen Wohlbefindens vorstellt.”

Dieser Zug setzt sich auch in den Reden fort, die er nach 1933 hielt, auch wenn er dadurch doch teilweise an überraschender Stelle im Gegensatz zum NS stand:

“Denn jeder einzelne gehört zunächst einer Gemeinschaft an, seiner Familie, seiner Sippe und seinem Volke, einer Gemeinschaft, der er sich ein- und unterordnen muß und von der er sich niemals ungestraft loslösen kann. Daher ist auch jede Wissenschaft, ebenso wie jede Kunst und jede Religion, auf nationalem Boden erwachsen. Daß man dies eine Zeitlang vergessen konnte, hat sich an unserem Volke bitter genug gerächt.”… “Wie die Naturgesetze ehern und folgerichtig wirken, im Großen wie im Kleinen, so verlangt auch das Zusammenleben des Menschen gleiches Recht für alle, für Hoch und Niedrig, Vornehm und Gering. Wehe einem Gemeinwesen, wenn in ihm das Gefühl der Rechtssicherheit ins Schwanken kommt, wenn bei Rechtsstreitigkeiten die Rücksicht auf Stellung und Herkunft eine Rolle spielt, wenn der Wehrlose sich nicht mehr von oben geschützt weiß vor dem Zugriff des mächtigeren Nachbars, wenn offenbare Rechtsbeugungen mit fadenscheinigen Nützlichkeitsgründen bemäntelt werden. (…) In solcher Gesinnung ist Preußen und Deutschland groß geworden. Möge sie unserem Volke niemals verloren gehen! Ein jeder, der sein Vaterland liebt, hat die heilige Pflicht, an ihrer Erhaltung und Vertiefung mitzuarbeiten.”

Als ein Widerstreit verschiedener Loyalitäten zeigt sich dann auch seine Haltung zu Einsteins Austritt/-getreten werden; Planck schrieb an Einstein:

“Es sind hier zwei Weltanschauungen aufeinander geplatzt, die sich miteinander nicht vertragen. Ich habe weder für die eine noch die andere volles Verständnis. Auch die Ihrige ist mir fern, wie Sie sich erinnern werden von unseren Gesprächen über die von ihnen propagierte Kriegsdienstverweigerung.”

Planck soll davon durchdrungen gewesen sein, dass die Akademie-Mitglieder gegenüber der Regierung eine besondere Loyalitätspflicht besäßen; in de Akademie-Sitzung am 11. Mai 1933 sagte er, es sei “tief zu bedauern, daß Herr Einstein selber durch sein politisches Verhalten sein Verblieben in der Akademie unmöglich gemacht hat.”

P.S. Ich behaupte nicht, dass diese Dinge irgendetwas über den Wert der wissenschaftlichen Erkenntnisse Plancks aussagen. Ich bin mir auch dessen bewußt, dass sein persönliches Schicksal von außergewöhnlicher Härte war, und sein liebster Sohn hingerichtet wurde, weil er an einem Attentat auf Hitler beteiligt war.

Quellen:
Dr. Hans Wehberg, Wider den Aufruf der 93!, 1920
Max Planck in seinen Akademie-Ansprachen, Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1948
Wege zur physikalischen Erkenntnis – Reden und Vorträge von Dr.Max Planck, Bd. 2 , 1943